Diplom-Psychologin, Heilpraktikerin für Psychotherapie, Dozentin, Yogalehrerin
Vertrauensfragen
Vertrauensfragen

Vertrauensfragen

Hallo,
mit 40 Jahren bin ich nach einer kurzen, gescheiterten Ehe wieder allein und kinderlos. Meine Ehe endete in einem Alptraum. Begonnen hat sie als Affaire. Als wir dann schließlich heirateten, dachte ich, alles sei gut. Dann stellte sich heraus, dass mein Mann auch mich die ganze Zeit über betrogen hatte! Und das mit mehreren Frauen. Ich habe die Scheidung eingereicht, was mein Mann überhaupt nicht verstehen wollte. Das Ende vom Lied: Er ist bereits wieder verheiratet. Aber was wird aus mir? Was wird aus meinen Träumen von Haus, Ehepartner, Kind? Wie kann ich jemals wieder einem anderen Mann vertrauen? Wie kann ich jemals wieder auf meine eigene Urteilsfähigkeit vertrauen?

Tatjana B.

Hallo Enttäuschte,
eine wichtige Frage: Wie kannst du (wieder) auf deine eigene Urteilsfähigkeit vertrauen? Ich denke, dies ist der Dreh- und Angelpunkt, alles andere folgt dem nach.

Also wie? Indem du sie überprüfst. Worauf gründest du deine Urteile? Welche Merkmale erscheinen dir wesentlich? Welche davon erweisen sich über die Zeit als verlässlich und bei welchen solltest du vorsichtig sein?

Es wird eine ganze Weile dauern. Denn dazu brauchst du Erfahrungen, aus denen du lernen kannst.

Dies können neue Erfahrungen mit neuen Menschen sein.
Mehr und schneller lernst du jedoch aus der Vergangenheit. Immerhin hast du schon ein paar Jahre Lebenserfahrung und somit vermutlich auch einiges an Beziehungserfahrungen gesammelt. Hieraus kannst du bestimmt tief schöpfen.

Lerne aus
bisherigen
Beziehungen

Es müssen nicht nur Liebesbeziehungen zu Männern sein. Auch deine Erfahrungen mit Bekannten, Kolleginnen und Kollegen, Freundinnen, Schulkameraden, Familie etc. können dir helfen, dein Urteilsvermögen zu überprüfen. Wo erinnerst du dich an bestimmte Situations- oder Charaktereinschätzungen? Wo lagst du damit richtig und wann hast du dich geirrt? Kannst du bestimmte Muster erkennen, wenn du an verschiedene Erlebnisse oder Menschen denkst? Und schließlich hast du auf einen Mann gebaut, bei dem aus bestimmten Gründen glaubtest, für ihn „die Eine“ zu sein. Wie konnte er dir diesen Eindruck vermitteln? Welche seiner Handlungen haben dir Sicherheit vermittelt? Gab es anders herum vielleicht Momente, in denen du dich unsicher fühltest, aber beschlossen hast, nicht dieses Gefühl zu hinterfragen, sondern ihm zu vertrauen?

Mit diesen und ähnlichen Fragen kannst du dir deinen Erfahrungsschatz an Beurteilungen anschauen, und viel über dich und die (bisherige) Zuverlässigkeit deiner Urteilsfähigkeit lernen.

Was ich aber auch erwähnen möchte:
Es gibt Menschen, die grundsätzlich vertrauen.
Und es gibt solche, die so tun, „als ob“.

Jene, die tatsächlich zutiefst vertrauen, hatten vermutlich das Glück, dass sie in einem vertrauenswürdigen Umfeld aufgewachsen sind.

Auch solchen Menschen kann es passieren, dass sie irgendwann an jemanden geraten, der dieses Vertrauen enttäuscht. Das ist dann eine Lektion, die sie eben zum Glück erst später in ihrem Leben zu lernen haben, auf der Basis vieler guter Erfahrungen. Auch sie müssen für eine neue Stabilisierung ihres Selbstvertrauens vielleicht prüfen, wo Erwartungen und Erfahrungen nicht zusammenpassten, und was darauf hätte hinweisen können, dass es diesmal anders ist. Vielleicht schütteln sich solche Menschen auch nur kurz, weil sie sich darüber bewusst sind: „Ich habe so viele gute Erfahrungen gemacht, jetzt habe ich einmal Pech gehabt. Beim nächsten Mal wird es wieder anders sein.“

Und dann gibt es jene, die so tun „als ob“.

Das sind vielleicht Menschen, denen von ihrem Umfeld schon früh und konsequent erzählt wurde, dass sie vertrauen haben sollen – auch wenn ihre Erfahrung sagte: VORSICHT!
Doch wenn diese Menschen sich auf ihre Erfahrung beriefen, oder das dazugehörige unsichere Gefühl und zweifelnde Gedanken benannten, hieß es in ihrem Umfeld, sie lägen falsch. Ihnen wurde systematisch beigebracht, sich selbst zu misstrauen und ihre Wahrnehmungen zu ignorieren!

Für sie ist es ein wirklich hartes Stück Arbeit, sich aus einer solchen Erfahrungsspirale herauszulösen und Selbstvertrauen (hier: Vertrauen in das eigene Urteil) zu entwickeln. Sie müssen einerseits komplett neu lernen, dass sie sich vertrauen dürfen, vielleicht sogar müssen – und gleichzeitig stehen in einem solchen Fall immer die Beziehungen zu den Menschen auf dem Spiel, die sagten, man läge falsch.

Das kann Manche(r) alleine schaffen. Viel einfacher – und immer noch sehr schwer! – ist es jedoch mit einer langfristigen wohlwollenden Begleitung. Hier ist es eine Psychotherapie durchaus angemessen oder zumindest die Unterstützung durch einen Coach.

Ich wünsche Dir von Herzen alles Gute,
Katharina Hirsch

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